Dienstag, 4. Juni 2013

Blutbraut – Lynn Raven

Mi corazón, mi flor, mi vida, mi luz…

(Rezension vom 13. Januar 2012)

4 von 5 Sternen

Als ich erfahren habe, dass Lynn Raven einen neuen Roman rausbringt, war ich erst skeptisch, weil er in der heutigen Zeit spielt. Dann aber fand ich die Zusammenfassung doch so interessant, dass ich es vorbestellt habe und es dann kaum erwarten konnte, als es ankam. Leider hatte ich dann aber nicht gleich Zeit, es zu lesen und die Dicke des Buches hatte mich schlussfolgern lassen, dass es auch etwas dauern würde (was jetzt im Nachhinein dennoch falsch war, da ich es mittlerweile trotzdem innerhalb von 2 Tagen durch hatte!).
Ich muss gestehen, ich hab hin und her überlegt, ob ich dem Buch vier oder doch fünf Sterne gebe, hab mich dann letztlich aber doch nur für vier Sterne entschieden. Das bedeutet aber immer noch, dass ich das Buch wahnsinnig toll fand. Nur gab es eben einige, kleine Dinge, die mich persönlich ein bisschen gestört haben. Fünf Sterne bedeuten für mich “perfekt” und das hat das Buch leider nicht erreicht, obwohl es mich trotzdem so sehr gefesselt hat, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte – wäre da nicht das lange Sitzen und mein Schlaf gewesen, hätte ich vermutlich keine Pause gemacht.
Die paar negativen Dinge, die mich gestört haben, waren einfach (wie einige Vorredner es schon gesagt haben) die teilweise wirklich langen Gedankengänge von Lucinda, und dass sie sich stellenweise einfach wirklich zu oft wiederholt. Vielleicht merkt man das als Autor selbst nicht, wenn man über Monate ein Buch schreibt, und hat dementsprechend einige bereits verwendete Beschreibungen vergessen. Wenn man das Buch aber in 2 Tagen liest, fällt einem so was schon eher auf. Ich verstehe, was die Autorin mit den ständigen Wiederholungen und Gedanken von Lucinda bewirken wollte, ihren inneren Konflikt, alles, was sie bisher erlebt und geglaubt hatte, in Frage stellt und mehr als einmal in einer Situation war, in der ihr schier der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Dass sie das alles aus der Bahn wirft und sie sich immer wieder von vorn aufrappeln muss. Dennoch gab es einige Stellen weiter hinten im Buch, an denen sie meiner Meinung nach bestimmte Gedanken nicht mehr in dieser Dominanz und Stärke hätte denken dürfen, sondern wenn dann wirklich nur noch in abgeschwächter Form.
Natürlich ist mir klar, dass sie aufgrund ihrer Vergangenheit gekennzeichnet ist und in bestimmten Situationen einfach nicht anders kann als so zu reagieren, wie sie es denn nun einmal hat, weil dieses Verhalten tief verankert in ihrer Psyche ist. An den wichtigsten Stellen war das auch vollkommen logisch und unausweichlich. Aber trotzdem gab es die ein oder andere Situation, in der ich der Meinung war, dass sie eigentlich längst hätte Fortschritte gemacht haben müssen. Stattdessen wird man durch die gleiche Wiederholung ihrer Gedanken und ihres Verhaltens praktisch wieder an den Anfang geworfen.
Womit ich ebenfalls manchmal zu kämpfen hatte, waren die stellenweise abgehackten Sätze. Wenn ich mich recht erinnere, ist das in Lynn Ravens anderen Büchern nicht so stark vorgekommen.
Dass sie hier vor allem Spannung und Kurzatmigkeit und Hektig zum Ausdruck bringen wollte, kann ich nachvollziehen, ich bin aber dennoch der Meinung, dass ein paar weniger Kommas und mehr Bindungswörter dem Ganzen keinen Abbbruch getan hätten.
Was mir aber ansonsten an dem Buch gefallen und mich gefesselt hat, war der ganze Rest. Erst einmal die Gegend, in der es spielt. Der Süden Amerikas, das mexikanische Flair, die Sierra, die Hitze, die Kakteen, die Sprache. All das hat einen eintauchen lassen, in eine andere Welt gezogen. Was ich besonders beeindruckend fand, war dass die Autorin es geschafft hat, die Moderne mit dem Aberglauben so geschickt zu verbinden, dass beide Seiten nahtlos ineinander weben, ohne irgendwie komisch zu wirken. Die uralten Flüche, die Hexerei, die Mystik Hand in Hand mit der Fassade, die alle Involvierten dem Rest der Menschheit zeigen (Das hat meine Skepsis bezüglich der Handlung in der Gegenwart, vor Erscheinen des Buches, übrigens auch gelegt). Raven hat die HighTech-Technologie wunderbar mit den jahrhundertealten Bräuchen und Lebensgeistern der lateinamerikanischen Menschen verbunden.
Etwas, das mir schon in ihren anderen Büchern wahnsinnig gefallen hat, ist ihre obsessive Verwendung anderer Sprachen, die sie vor allem dazu nimmt, damit der männliche Hauptcharakter irgendwann anfängt, seine ‘Liebste’ mit diversen Bezeichnungen anzureden, die Letztere meistens gar nicht für voll nimmt. Als Leser hat man da schon ein besseres Gefühl und weiß um die Gefühle (in diesem Fall) Joaquíns. Gleichzeitig offenbart es eine gewisse Intimität und Leidenschaft, die jedes deutsche Wort (sorry, wenn ich das so sage, aber Deutsch ist und bleibt eine harte Sprache) niemals aufbringen könnte. Seine Wurzeln sind spanisch, er gibt sein Innerstes preis, und jedes Mal, wenn er Lucinda auf diese Weise anspricht, wünscht man sich einfach nur, dass sie endlich versteht.
Das Cover mag auf den ersten Blick schlicht wirken, symbolisiert im Nachhinein aber genau das, was Lucinda ausmacht. Ihre Ängste, ihren Schutzwall und den Schatten, in den sie sich ihr ganzes Leben lang verkrochen hat. Für mich eindeutig eines der passendesten Cover für ein Buch.
Ein anderer Punkt, der mir ebenfalls sehr, sehr gefallen hat, war die Beschreibung der Nosferatu. Nicht übertrieben, aber auch nicht zu wenig. Weder wirken sie zu weich, noch wird alles zu sehr aufgebauscht und überdramatisiert. Und trotzdem hat Lynn Raven ihre eigenen Vampire erschaffen. Frei von Klischees und dennoch verankert in den Mythen und Überlieferungen. Ich kann das gar nicht genau beschreiben, aber jeder, der es gelesen hat, wird wissen, was ich meine.
Was den Hauptplot betrifft: Die Problematik mit den Nosferatu steht zwar im Vordergrund, dennoch gibt es noch eine andere Sache, die auf gleicher Wellenlänge damit harmoniert und den nötigen realen Touch bringt. Zwischenmenschliche Beziehungen, Probleme, Ängste, Sehnsüchte, Wünsche. Diese menschlichen Dinge aus der Realität sind so mit dem Übersinnlichen verankert, dass sie voneinander abhängig sind und ohne die andere Seite gar nicht funktionieren können. Dadurch kann man als Leser eine Verbindung zu den Charakteren aufbauen, sich dementsprechend besser in sie hinversetzen und mit ihnen fühlen. Etwas, das meiner Meinung nach in vielen Fantasy-Büchern zu kurz kommt.
Ich denke, gerade das ist es, was Lynn Raven in ihren Büchern schafft und was mich immer wieder fesselt.
Für mich also bisher eines der besten Bücher dieses Jahr.

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