Mittwoch, 5. Juni 2013

Starters – Lissa Price

Ganz anders als erwartet

(Rezension vom 31. Oktober 2012)

4 von 5 Sternen

Als die deutsche Übersetzung noch ganz frisch war, hatte ich mir die Inhaltsangabe durchgelesen und das Buch als gut und interessant genug empfunden, es eine lange Zeit auf meine Wuschliste zu setzen. Jetzt, nachdem ich es gelesen habe, muss ich zugeben, dass ich mit etwas ganz anderem gerechnet habe.
 
Das Cover sieht interessant und mysteriös aus, verspricht viel, ohne Genaues zu verraten. Auf der einen Seite finde ich es optisch wirklich gelungen, da gerade die Einfachheit den gewünschten Effekt des Unbekannten heraufbeschwört. Auf der anderen Seite ist es genau diese Einfachheit und “Glätte”, die mich eine andere Geschichte hat erwarten lassen. Ich habe mit einer Welt gerechnet, ähnlich der in die “Auswahl”, wo alles doch irgendwie steril wirkte. In diesem Buch ist dem aber gänzlich nicht so. Vielmehr ist es ein ganzes Stück dichter an unserer Realität dran. Der Krieg in der Story ist noch gar nicht so lang her, wodurch noch eine Menge Ähnlichkeiten zu unserer momentanen optischen Umgebung (Städte etc) auftreten. Die Technologie ist zwar ein ganzes Stück weiter als bei uns, was demzufolge auch auf das Social Sharing zutrifft, aber das wäre dann grob auch schon alles (wenn man die veränderten politischen Aspekte als Konsequenz des Krieges mal nicht miteinbezieht: legalisierte Sklavenarbeit etc).
 
Dass ich mit der Geschichte völlig überrascht wurde, heißt aber nicht, dass es schlechter ist. Ganz im Gegenteil. Mir gefällt, was ich geboten bekommen habe. Eine Dystopie wie jede andere hab ich etwartet, einen dystopischen Krimi erhalten. Der Hauptkern, um den es geht, ein simpler Mord, wird geschickt mit Spannung erzählt und lässt bis zur letzten Seite nicht nach. Zwar hat man am Ende immer noch unbeantwortete Fragen, aber das stört mich persönlich nicht so sehr, da ich bei einem Mehrteiler ohnehin nicht davon ausgehe, alles am Ende zu erfahren.
 
Die Welt, die die Autorin aufgebaut hat, gefällt mir. Durch die bekannten Kontinente hat man zum einen eine gewisse Verbindung zu den Orten, zum anderen lässt die veränderte Umgebung die Geschichte sehr düster wirken. Die Alten werden älter und die Jungen leben wahrscheinlich nicht lange genug, um überhaupt erwachsen zu werden. Die Kluft zwischen arm und reich ist größer denn je, und vor allem die Alten schaufeln das Geld wie nichts. Jugendliche, die nach dem Krieg nicht das Glück haben, noch lebende Erwachsene (in diesem Fall höchstwahrscheinlich Großeltern) als Familienmitglieder zu nennen, sind natürlich arm dran, da sie kaum eine Möglichkeit haben, finanziell eine Gesellschaftsstufe höher zu klettern. Die mit den reichen Großeltern sind da natürlich von ausgenommen. Alte Leute (die eigentlich weise sein sollten) machen sich die Ohnmacht und Hilflosigkeit der Kinder zunutze, und bedienen sich ihrer Körperkraft und Jugend (obwohl sie bereits die Technologie besitzen, ihre eigene physische Erscheinung zu verbessern und ihr Leben sogar bis auf 200 Jahre zu verlängern), während sie sie gleichzeitig (fast) wie Tiere (oder eine Krankheit) behandeln. Die Enders (Senioren) fühlen sich den Starters (Junioren) in jeder Hinsicht überlegen, weshalb sie diese auch wie Bsitzgut behandeln (siehe Body Bank, eine illegale Einrichtung, in der die Enders sich die Körper der Starters ausborgen können). Der Großteil der Starters ist obdach- und vormundslos, und ihr Leben im Untergrund und der ständige Kampf, nicht eingefangen und in ein Heim gesteckt zu werden, hat mich stellenweise ein bisschen an die Hunger Games erinnert. Alles in allem eine düstere Zukunftsvision, sind doch ein paar Details näher an der Realität, als uns lieb ist.
 
Der Schreibstil ist sehr einfach gehalten, Emotionen gibt es kaum in Callies Beschreibungen (jedenfalls hat es sich so gelesen). Teilweise konnte ich ihren Schlussfolgerungen nicht ganz folgen und manchmal musste ich wirklich nachdenken, ob das, was sie gerade dachte, wirklich normal für jemanden ist, der seit einem Jahr in dieser veränderten Extremsituation lebt, wie sie es tut. Einige Gespräche oder Teile davon kamen mir manchmal sehr konstruiert vor und passten nicht wirklich in die Situation – jedenfalls in dem Sinne, dass sie nicht natürlich genug herüberkamen.
Typisch für Dystopien ist die teilweise Verwendung von unbekannten Wörtern ohne große Erklärung, die sich aber während des Lesens von selbst klären, wie zb Airscreen, Zing oder auch Holo-Aufnahmen. Wer nicht erst seit heute Dystopien liest, kann sicher schnell damit etwas anfangen, ergeben sich die meisten Dinge doch aus dem Begriff selbst. In diesem Buch wird nicht sonderlich viel mit solchen Begriffen um sich geworfen, wodurch der Lesefluss nicht unterbrochen wird und sich alles aus dem Zusammenhang erschließt.

 
Nichtsdestotrotz ist das Buch spannend genug, es anderen weiterzuempfehlen.

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