Nicht ganz neu, aber doch irgendwie originell
(Rezension vom 11. März 2013)
4 von 5 Sternen
Das erste, mit dem ich das Buch während des
Lesens verglichen habe, waren Silent Hill und Constantine. Das soll
hier aber nichts Schlechtes sein. Eher im Gegenteil, es hat geholfen,
mir meine eigene Vorstellung der Höllenstadt zu geben. Der Rest ist… nun
ja, eine typische Liebesgeschichte im Urban-Fantasy-Universum.
INHALT
Lela Santos macht sich ungewollt auf den Weg in die Hölle, um ihre
beste Freundin, die vor kurzem Selbstmord begangen hat, wieder
rauszuholen. Denn dieser Ort, an dem ihre Freundin gefangen ist, ist
Lela nicht unbekannt, stand sie doch selbst schon einmal vor dem
Selbstmordtor. Auf ihre Rettungsaktion trifft sie auf Malachi, den
Anführer der Wächter der Stadt. Und dem darf sie auf keinen Fall in die
Finger geraten, denn er ist der Gefährlichste und Gnadenloseste, wenn es
darum geht, die Stadt von nicht willkommenen Besuchern zu “säubern” und
kurzen Prozess mit ihnen zu machen. Natürlich passiert aber genau das
und sie sitzt erstmal in der Falle. Aber Malachi ist nicht, wie er
scheint und erkennt, dass Lela anders ist als die Wesen, die er jagt.
Deshalb will er sie auch nicht in der Stadt haben und setzt alles daran,
sie rauszuschaffen.
Der Plot ist ausgeklügelt und nachvollziehbar und wer hat sich noch
nicht gefragt, was nach dem Tod passiert? Dachten Selbstmörder bisher,
sie seien erlöst, nachdem sie sich das Leben genommen haben, so merken
sie spätestens am Tor, dass ihr Leiden kein Ende nehmen wird – ob nun
gläubig oder nicht. Die Welt, die Sarah Fine geschaffen hat, ist heiß,
düster und äußerst gefährlich, und nicht immer kann man den Unterschied
zwischen Freund und Feind auf Anhieb erkennen. Gut und Böse halten sich
geradeso die Waage, aber das Fass scheint langsam aber sicher
überzukochen. Und außgerechnet Lela scheint zur falschen Zeit am
falschen Ort gelandet zu sein und mit ihrem eigenen, winzigen Plan ihren
Widersachern nur noch mehr in die Hände zu spielen.
CHARAKTERE
Was mich an diesem Buch vor allem fasziniert hat, sind die
überzeugenden Charaktere, die durch ihre Hintergrundgeschichten
glaubhaft und real wirken, ja irgendwie greifbar. Es wird auf
geschichtliche Fakten und gegenwärtige Zustände zurückgegriffen, die vor
allem Malachi und Lela echter den je wirken lassen. Ich will nicht zu
viel verraten, aber wer das Buch gelesen hat, weiß denke ich mal, was
ich meine. Vor allem gibt es hier kein unnützes Anhäufen von Leuten mit
kaputten Problemen. Die Leute gibt es zwar schon, aber in dieser Stadt
ist die große Anzahl ganz normal, denn die Leute hier haben sich ja
nicht ohne Grund von heut auf morgen entschieden, sich das Leben zu
nehmen. Malachi und Lela, beide vom Leben gestraft, brauchen einander,
helfen einander und heilen einander.
Die Wächter, die Mazikin, der Heiler, der Schmied, der Richter… all
diese Personen/Wesen überzeugen durch ihr simples Auftreten. Zwar haben
sie nicht immer etwas zu sagen, aber allein die wenigen Szenen, in denen
sie in Aktion treten, reichen aus, um sie als Teil der Stadt, aber
keinesfalls als strohdumme Pappfiguren wirken zu lassen.
Einzig der Charakter von Nadia, Lelas bester Freundin, ist bei mir
nicht so richtig angekommen. Ich weiß nicht, ob es Absicht war, dass sie
mir wie eine Schablone vorkam. Was ich aber so gar nicht nachvollziehen
konnte, war ihre Freundschaft zu Lela. Ich hab bis zum Schluss nicht
verstanden, warum Lela so viel für Nadia durchmacht. Natürlich hätte es
egoistisch geklungen, sich für sich zu entscheiden, als es letztendlich
um eine Entscheidung ging, aber diese ganze Freundschaftssache hätte man
am Anfang vielleicht noch ein bisschen ausbauen können, damit es doch
irgendwie realer wirkt. Klar gab es am Ende eine Erklärung ihrerseits,
aber auch die wirkte auf mich seltsam platt und abgedroschen – einem
Klischee folgend, das man bereits am Anfang erkennen konnte.
STIL
Der Schreibstil ist eher einfach gehalten, ist sehr bildlich und
gefühlvoll. Hin und wieder gibt es Exkurse in die heutige
Teenager-Sprache und nicht nur einmal werden an den unpasssendsten
Stellen unmögliche, aber witzige Vergleiche gezogen, wenn Lela in
Situationen der Verzweiflung als letztes Mittel plötzlich frech und kühn
wird.
Hin und wieder hat es mich gestört, dass Lela in ihren Gedanken und wenn
es darum ging, Szenen zu beschreiben, einige Wordwiederholungen hatte.
Auf ein 324-Seiten Buch fällt das dann schon etwas eher auf, wenn sie
ständig einen heißen Atem auf ihrem Nacken spürt. Ich weiß zwar, was
damit bezweckt werden sollte, dennoch hat es mich irgendwann ein
bisschen genervt.
Die Dialoge sind von keinem Philosophen und das hat auch niemand
erwartet. Sie entsprechen der Handlung und sind in den meisten Fällen
wie aus dem alltäglichen Leben, wenngleich die Protagonisten irgendwann
dazu neigen, eine ganze Rede zu halten, um sich zu erklären. Auch
erschienen mir manchmal Lelas Entschuldigungen zu viel des Guten. Eine
einfache Geste hätte an einigen Stellen besser gepasst.
Öfter als selten – und das ist jetzt aber nicht der Geschichte
anzulasten – haben Wörter gefehlt. Vor allem, wenn in einem Satz “ich
mich” oder “sie/er sich” vorkam. Meistens stand dann nur “sich/mich” etc
dort. Einige mag das vielleicht nicht stören, mich schon, weil es
einfach meinen Lesefluss unterbricht. Und wenn ich tief in einer
Geschichte drin bin und dann durch so was wieder rausgerissen werde, ist
das schade. Mich nervt so was. Ein, zwei Mal kann ich drüber hinweg
sehen, aber hier ist es doch öfter passiert.
FAZIT
Trotz der paar wenigen Kritikpunkte ein lohnenswertes Buch, das mit
seiner eigensinnigen Originalität und starken Charakteren, die mal nicht
die 08/15-Vorstadt-Vorzeige-Unschuldigen sind, überzeugt. Wer sich die
Inhaltsangabe durchliest, wird bestimmt neugierig auf das Buch. Das
wurde ich auch, obwohl ich lange nichts gelesen habe. Einziger
Wermutstropfen war für mich, als ich beim 2. Blick das “Band I” gelesen
hab und ich mich wieder auf einen Mehrteiler einstellen musste. Das
birgt bei mir immer die Angst, ein nur halbwegs zufriedenes Ende zu
erwarten und senkt die Hoffnung drastisch auf ein zufriedenes. Ob ich
mit diesem Ende zufrieden bin oder nicht, verrate ich nicht. Das soll
jeder für sich selbst entscheiden
Tatsache ist jedenfalls, dass ich mich tierisch auf den 2. Teil freue,
denn was ich vor allem an dem Buch so schön finde, ist dass hier der
jeweils andere sein Gegenstück erst in der Höllenstadt finden konnte.
Beide hätten sich im normalen Leben niemals getroffen, weil sie aus ganz
verschiedenen Zeiten und Ländern kommen, und wenn sie nicht gestorben
wären, hätten sie ihr ganzes Leben lang ohne diesen heilenden, anderen
Teil auskommen müssen.
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